Russische Aufklärungsflugzeuge

Als erste sind die Vereinigten Staaten am 22. November 2020 aus dem Vertrag „Offener Himmel“ (OH) ausgetreten. Die anderen NATO-Länder unterstützten die Entscheidung der Amerikaner nicht. Einige NATO-Partner äußerten ihr Bedauern über die Entscheidung der amerikanischen Regierung. Nach dem Austritt der USA musste Russland befürchten, dass die der NATO angehörenden Vertragspartner ihre gewonnenen Informationen an die USA weitergeben. Daher forderte Russland von den beteiligten NATO-Staaten Garantien dafür, dass ihre im Rahmen des Vertrages gesammelten Daten nicht an die USA übermittelt werden. Da diese Garantien nicht bestätigt wurden, erklärte am 15. Januar 2021 das russische Außenministerium, dass Russland keine andere Möglichkeit sehe, als ebenfalls aus dem Vertrag auszusteigen.  Im Großen und Ganzen hat Russland dadurch nicht viel verloren. Russland konnte zudem zwei speziell für dieses Programm gebaute Aufklärungsflugzeuge Tu-214OH mit geringfügigem Aufwand in Aufklärungs-flugzeuge des militärischen Nachrichtendienstes GRU verwandeln.

Bei der russischen Armee sind mehrere Aufklärungsflugzeuge im Einsatz. Der „Luftspion“ Il-20/22 fliegt in verschiedenen Modifikationen auch in den See- und Luftstreitkräften Russlands. Es gibt etwa 30 solcher Flugzeuge, die jedoch mehr als 45 Jahre im Dienst sind. Am 17. September 2018 wurde eine solche Il-20 beim Flug zum Flughafen Khmeimim in Syrien versehentlich von einem Flugabwehrkomplex S-200 der syrischen Armee abgeschossen.

Es gibt auch neun russische AWACS-Langstreckenradarflugzeuge A-50 und A-50U (analog zum amerikanischen Aufklärungsflugzeug Boeing E-3 „Sentry“), die leicht durch die tellerförmige Antenne auf dem Rücken des Rumpfes zu erkennen sind. Andere Flugzeuge wie die An-71 und Su-24 können auch als Aufklärungsflugzeuge eingesetzt werden, aber deren Möglichkeiten zur Aufklärung sind geringer. Der russische Militärgeheimdienst hatte große Hoffnungen in das Spezialflugzeug A-100 „Premier“ auf Basis des Militärtransporters Il-76MD-90A gesetzt, aber der Bau kam ins Stocken – nur eines dieser Flugzeuge ist bisher in der Luft. Die Liste der Aufklärungsflugzeuge enthält auch zwei Maschinen des Typs Tu-214R, das modernste und fortschrittlichste Flugzeug der Luftaufklärung. Und nun sind es vier, aufgrund der beiden  Flugzeuge, die für das Programm Offener Himmel bestimmt waren.

Russland nutzte seit Beginn des Vertrages umgebaute An-30B und Tu-154M LK-1 für Beobachtungsflüge im Rahmen des OH-Programms. Die beiden später hinzugekommenen Flugzeuge Tu-214OH (in den Jahren 2011 und 2013), kamen den Amerikanern zu gefährlich vor, obwohl sie nur mit den zulässigen Beobachtungsgeräten ausgestattet waren. Das Pentagon vermutete die Installation „unerlaubter“ Ortungssysteme. Daher standen diese Maschinen größtenteils am Boden. Nur ein einziges Mal, im April 2019, inspizierte eine russische Tu-214OH das Territorium der Vereinigten Staaten. Der Flug erfolgte über den Bundesstaaten Texas, New Mexico und Colorado.

Nachdem sich auch Russland am 15. Januar 2021 dem OH-Vertrag zurückgezogen hatte, verloren diese Flugzeuge generell an Bedeutung. Die Tu-214 in der „OH“-Modifikation verfügte über eine Ausrüstung für digitale Bildwidergabe, ein seitwärts gerichtetes Radar und Infrarotaufnahmegeräte. Dieses fliegende Aufklärungslabor ermöglichte es, militärische Objekte, Radar- und Funkantennen sowie andere Kommunikationsmittel in einem Umkreis von 250-400 Kilometern aus einer Höhe von 9-12 Kilometern zu scannen. Wahrscheinlich waren solche Möglichkeiten der Grund für die häufige Verweigerung der Teilnahme der Tu-214 an Inspektionsflügen über dem Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten.

Gleichzeitig sind auch die Fähigkeiten der eingesetzten amerikanischen Aufklärungsflugzeuge recht hoch. Die Boeing OS-135 B kann mehrere Hundert Kilometer weit „sehen und hören“. Die USA planen, ihre im OH-Programm eingesetzten Boeing OS-135 B zu verschrotten. Das berichtete „The World Herald“, aus dem Bundesstaat Nebraska, wo sich zwei dieser Flugzeuge auf einem US-Luftwaffenstützpunkt befinden.

Im Grunde musste für den Einsatz der Tu-214 bei der GRU nicht viel verändert werden, nur einige neue Aufklärungsgeräte wurden hinzugefügt. Diese beiden Flugzeuge werden die bestehende GRU-Flotte ergänzen, zu der auch schon zwei Tu-214R gehören. Sie wurden 2009 und 2014 vom Hauptquartier des Militärgeheimdienstes bestellt. Eine von ihnen ist regelmäßig auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt Khmeimim in Syrien stationiert und vermutlich nicht untätig.

Aufklärungsflugzeuge sind geheime Objekte und die wahren Fähigkeiten der Ausrüstung werden möglichst geheim gehalten. Die Tu-214R ist mit einem Mehrfrequenz-Funkkomplex MRK-411 ausgestattet, der mit mehreren seitlichen und Rundum-Radarantennen mit phasengesteuerten Antennenfeldern versehen ist. Die Informationen werden sowohl im aktiven als auch im passiven Regime geliefert. Die installierten Geräte ermöglichen auch das Abhören von Funkverbindungen jeglicher Art. Diese Flugzeuge sind zudem mit einem hochauflösenden optischen Glasfasersystem des Typs „Fraction“ ausgestattet, das sich in der Verkleidung unten am Rumpf befindet und den Erhalt von Echtzeitbildern der Oberfläche im sichtbaren und infraroten Bereich ermöglicht. Das von der Firma TPK „Lincos“ in der Nähe von Moskau entwickelte System ermöglicht das Scannen großer Bereiche der Erdoberfläche, die Weitergabe von bearbeiteten und synthetisierten Informationen auf die Bildschirme der Bediener und der Bodenzentrale. Dank des Vorhandenseins eines Geo-Radars ist das Aufklärungsflugzeug in der Lage, sogar unterirdisch versteckte oder getarnte Objekte zu erkennen.

Die Tu-214R wurde im Unternehmen „Aviation Plant“ in Kasan als Radar- und Funkaufklärungsflugzeug entwickelt, das auch visuelle Aufklärung durchführen kann. Zusätzlich zu diesen Funktionen kann das Flugzeug als Kommando- und Führungspunkt und zur Zielzuweisung für verschiedene Waffen verwendet werden.

Es ist davon auszugehen, dass diese Aufklärungsflugzeuge zurzeit vor allem in Syrien eingesetzt werden.

(Quelle: Sokirko, V., Swobodnaja Pressa, 21.12.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

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