Rezension: War alles sinnlos?

Ralf Rudolph: War alles sinnlos?

Die Strukturen und Dimensionen der DDR-Rüstungsindustrie waren nur wenigen Personen bekannt. Oberst a.D. Ralf Rudolph ist einer von ihnen. Sein Berufsleben war mit der NVA und der Wirtschaft der DDR eng verbunden. Die dabei gewonnenen Erfahrungen und Einsichten hat er zu einem sehr informativen und unterhaltsamen Text zusammengefasst, der viele gängige Klischees über die DDR mit überprüfbaren Fakten widerlegt.

1938 geboren, wuchs Ralf Rudoph in einer linkssozialdemokratischen Familie in Thüringen auf. Der Vater stand im Widerstand gegen das NS-Regime und engagierte sich nach der Befreiung für den Aufbau der FDJ und des Volksbildungssystems der DDR. Ralf Rudolph gehörte zu jener Generation, die in den 50er Jahren besonders gefördert und gefordert wurde, um zukünftig in der DDR Führungspositionen zu übernehmen. So studierte Ralf Rudolph am Institut für Luft- und Raumfahrt in Moskau und war in seiner Diplomarbeit mit Studien für einen sowjetischen Raumgleiter befasst – lange bevor die NASA in den USA ihr Space Shuttle in den Orbit brachte.

Der Diplom-Ingenieur sollte in Moskau eigentlich darauf vorbereitet werden, in der im Aufbau befindlichen Flugzeugindustrie der DDR tätig zu werden. Doch diese Perspektive zerschlug sich durch eine veränderte wirtschaftspolitische Prioritätensetzung nach dem Scheitern des Passagierflugzeugprojektes 152 von Professor Bade in Dresden.

So kam der hochmotivierte Fachmann Rudolph als Raketenspezialist zur Nationalen Volksarmee der DDR. Als Offizier war er maßgeblich in die Planungen zum Aufbau eines Instandsetzungswerkes für Raketentechnik involviert und wurde schließlich für viele Jahre Betriebsdirektor des Raketen-Instandsetzungswerkes Pinnow. Danach war er Abteilungsleiter für Spezielle Produktion (Rüstungsproduktion) im Ministerium für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau. In dieser Funktion verhandelte er mit Partnern aus den Warschauer Vertragsstaaten und aus dem sogenannten Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet über Lieferungen von Militärtechnik „Made in GDR“ sowie über zentrale Projekte der Rüstungskooperation. Wer sich für diesen Teil der DDR-Geschichte interessiert, findet in dem Buch viele bislang unbekannte Fakten.

Die Zerschlagung der DDR und ihrer Armee erlebte Ralf Rudolph als Abteilungsleiter für technische Abrüstung im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung der DDR. Schließlich wechselte er als Unternehmensberater in ein Schweizer Consultingunternehmen mit dem Arbeitsschwerpunkt Rüstungskonversion. Die damit verbundenen Erlebnisse des Autors sind eine Illustration der westlichen Wirtschaftsphilosophie, deren ungehemmtes Wirken gerade in Osteuropa zu verheerenden ökonomischen und sozialpolitischen Folgen geführt hat.

Seine umfangreichen Erfahrungen hat Ralph Rudolph seit 2010 in einer Vielzahl von Sachbüchern verarbeitet, in denen es um zeithistorische Themen sowie um geostrategische und innovative militärtechnische Entwicklungen ging. Dabei lag ihm besonders am Herzen, vor den Konsequenzen eines neuen Kalten Krieges zu warnen und für Ausgleich und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland zu werben.

Ralf Rudolph steht mit seinem Leben beispielhaft für die vielen Bürger der DDR, die in ihrem Staat Verantwortung übernahmen, weil sie darin eine Alternative zu dem im Krieg gescheiterten kapitalistischen deutschen Gesellschaftsmodell sahen. Und so lautet sein Fazit: „Die letzten Tage des Krieges und mein Elternhaus sowie meine Entwicklung in der DDR haben mich zu einem humanistisch und sozialistisch denkenden Menschen gemacht. Die UdSSR hat mir im Studium viel technisches Wissen, logisches Denken und menschlichen Umgang beigebracht. Die NVA war mir eine echte berufliche Heimat geworden und die DDR war mein Staat, obwohl ich ihre Mängel am Ende klar erkannte. Ich bin von der Idee des Sozialismus immer noch überzeugt, man muss sie nur besser und demokratischer handhaben.“

 

Ralf Rudolph: War alles sinnlos?

Berlin 2021, 307 Seiten, viele Fotos, 17,- Euro

Bestellungen unter: beat...@web.de

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