Kampfdrohnen für die Bundeswehr?
Neben häufigeren und umfassenderen Out-of-area-Einsätzen der Bundeswehr geht es derzeit um die Ertüchtigung der deutschen Streitkräfte für einen möglichen Krieg der NATO gegen Russland. Hier ordnet sich die Beschaffung eigener Aufklärungs- und Kampfdrohnen ein. Den Militärs geht es in diesem Zusammenhang nicht zuletzt um die Sicherung der eigenständigen Operationsfähigkeit. Doch der Einsatz bewaffneter Drohnen wirft nach wie vor viele ethische und juristische Fragen auf. So gibt es derzeit in der Bundeswehr nur Aufklärungsdrohnen, wobei in der Öffentlichkeit vor allem über die israelische Drohne Heron TP diskutiert wurde.
Quelle: Wikipedia, Matti Blume - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Die Beschaffung dieses Systems bot sich an, weil die Bundeswehr mit den geleasten israelischen Aufklärungsdrohnen des Typs Heron-1 bereits Erfahrungen im Afghanistaneinsatz und in Mali hatte. Außerdem konnte man so Kritiker beruhigen und die Öffentlichkeit an das neue Kampfmittel gewöhnen. Die zur Kampfdrohne umrüstbare Heron TP hat eine Spannweite von 26 Metern und kann eine Nutzlast von 1.000 Kilogramm tragen. Sie ist in der Ausführung für die Bundeswehr (wie die Heron-1) eine „Aufklärungsdrohne der MALE-Klasse (Medium Altitude Long Endurance) für mittlere Flughöhen und lange Verweildauer über dem jeweiligen Einsatzgebiet“. Zum System gehört das Fluggerät („Remotely Piloted Aircraft“), in dem Sensoren und Kommunikationstechnik installiert sind sowie eine Bodenstation für die Einsatzkontrolle und Steuerung. Die Ausbildung des Bodenpersonals wurde 2019 in Israel realisiert. Der Einsatz der fünf Drohnen erfolgt über das Unternehmen ADAS (Airbus Defence & Space Airborne Solutions) auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrages. Die Herstellerfirma der Drohnen, Israel Aerospace Industries (IAI), fungiert als Subauftragnehmer von ADAS. Den Rahmen für das Leasing-Geschäft bildet eine Regierungsvereinbarung mit Israel. Die deutschen Streitkräfte in Gestalt des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr steuern das Personal und die Infrastruktur in den Einsatzgebieten sowie die für „Flugführung, Flugfunk und Sensordatenübertragung notwendige Satellitenkommunikation“ bei. Die Einsatzverantwortung liegt bei der Bundeswehr. Allerdings ist mit diesem Outsourcing-Geschäft die Bundeswehr wieder überwiegend auf fremde Technologie angewiesen, was längerfristig für die Bundeswehrführung unbefriedigend ist.
Und so meldete am 14. April 2021 die Agentur Reuters, dass der Bundestag grünes Licht für die Entwicklung und den Kauf einer sogenannten Eurodrohne gegeben hat. Drei Milliarden Euro sind dafür vorgesehen. Die Drohne soll gemeinsam mit Frankreich, Italien und Spanien gebaut werden. Auftragnehmer in diesem lukrativen Geschäft sollen Airbus, Dassault (Frankreich) und der italienische Rüstungskonzern Leonardo sein. Die Bundeswehr will 21 dieser Fluggeräte beschaffen. Hinzu kommen zwölf Bodenkontrollstationen und vier Simulatoren für die Ausbildung des Bedienpersonals. Ab 2030 sollen die Eurodrohnen die israelischen Heron TP der Bundeswehr ersetzen. Die neue Drohne kann auch als Waffenträger ausgerüstet werden und ist voraussichtlich für eine Flugdauer von 24 Stunden in bis zu 13.000 Metern Höhe ausgelegt.
Parallel zu solchen Entwicklungsarbeiten diskutieren Vertreter der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie die künftigen Einsatzmöglichkeiten von unbemannten Fluggeräten. So trafen sich Mitte Januar 2020 die an dem Thema interessierten Akteure aus Wirtschaft, Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr in Bückeburg, um über Entwicklungs- und Einsatzperspektiven von „Unmanned Aircraft Systems“ (UAS) zu sprechen. Auch dabei ging es längst nicht mehr nur um Aufklärungsmissionen. So erklärte der Kommandeur des Internationalen Hubschrauberausbildungszentrums, Brigadegeneral Ulrich Ott, im Interview mit der Zeitschrift Hardthöhenkurier (1/2020, S. 22/23): „Im militärischen Bereich werden Drohnen in unterschiedlichsten Ausprägungen das Bild des Gefechtsfeldes erheblich verändern. Dies gilt für den Einsatz eigener Drohnen ebenso wie für eine koordinierte und nachhaltige Drohnenabwehr. Die hohe Dynamik und das Entwicklungspotential, hin bis zu schwarmintelligenten, autonomen Einsatzspektren, erfordern jetzt den Einstieg in die Umsetzung konzeptioneller Überlegungen. Das Teaming mit bemannten Luftfahrzeugen, insbesondere mit Drehflüglern, muss hier im Mittelpunkt stehen.“
Die Zuführung dieser Technik ebnet kommunikationspolitisch den Weg für die perspektivische Beschaffung von Kampfdrohnen. Ganz in diesem Sinne erfolgt derzeit bei der Marine die Einführung der Drohne Skeldar V-200 (Sea Falcon).
Quelle: Wikipedia
Der Drehflügler wird auf Korvetten des Typs K 130 für Aufklärungszwecke stationiert. (vgl.: Europäische Sicherheit & Technik 2/2020, S. 71).
Und 2025 will die Luftwaffe drei hochfliegende Drohnen des Typs MQ-4C Triton des US-Herstellers Northrop Grumman unter der Bezeichnung Pegasus für Aufklärungszwecke einsetzen.
Quelle: U.S. Air Force photo by Bobbi Zapka
In den Heeresbrigaden kommen derzeit unter anderem Aufklärungsdrohnen der Typen LUNA (Hersteller: EMT) und KZO (Kleinfluggerät zur Zielortung, Hersteller: Rheinmetall) zum Einsatz. Für den Bereich bis 500 Meter Entfernung stehen einhundert Drohnen des Systems MIKADO (Hersteller: AirRobot GmbH) mit Videomodul und Infrarotkamera zur Verfügung. Hinzu kommen 145 Drohnen des Typs ALADIN mit einer Reichweite bis 5.000 Meter (Hersteller: EMT). Das Kommando Spezialkräfte (KSK) nutzt Mikrodrohnen Black Hornet 162H des US-Unternehmens FLIR Systems, die „Videoaufnahmen oder Einzelbilder in Echtzeit bei einer Reichweite von 1.000 Meter auch aus Gebäuden“ liefern.
Derzeit wird an Beschaffungsprogrammen sowohl für neue Mikrodrohnen als auch für die Modernisierung des Drohnensystems LUNA gearbeitet. Unter dem Kürzel LUNA NG (Next Generation) sollen eine Erhöhung der Reichweite auf 100 Kilometer, der Flugdauer auf über zwölf Stunden, eine „Vervierfachung der Nutzlastkapazität“, die Möglichkeit des Einsatzes für den Transport verschiedener Nutzlasten sowie die Ausstattung mit „moderner Sensorik mit schwenkbaren Kamerasystemen für den optischen und infraroten Frequenzbereich“ erreicht werden. Das System soll zur Ortung, Erkennung von Zielen und zur Überwachung von Geländeabschnitten eingesetzt werden. Das Drohnensystem KZO wird seit 2020 durch das UAS Hocheffizientes, unbemanntes System zur abbildenden Aufklärung in mittlerer Reichweite (HUSAR) ersetzt (vgl.: Europäische Sicherheit & Technik 2/2020, S. 59ff).
Quelle: Wikipedia, Julian Herzog, CC-BY 4.0
Aktuell nimmt die Debatte um die Entwicklung und Einführung bewaffneter Drohnen wieder Fahrt auf. Im Rahmen eines Workshops des Bundesministeriums der Verteidigung, der Mitte des Jahres 2020 stattfand, wurde als Hauptargument für die Beschaffung bewaffneter Drohnen auf den dadurch möglichen Schutz der Soldaten im Einsatz verwiesen. Die Beobachtung von Gefährdungslagen mittels Drohnen reiche nicht, man müsse bei Bedarf sofort mit dem Waffeneinsatz der Drohne reagieren können, um die eigenen Soldaten schützen zu können. Doch vor allem die SPD sperrte sich Mitte Dezember 2020 gegen die definitive Entscheidung für die Beschaffung von Kampfdrohnen. Das unpopuläre Thema wollte die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion vor den Wahlen im Jahr 2021 lieber aus der öffentlichen Debatte heraushalten, obschon sie sich im Sommer 2020 noch für die Beschaffung von Kampfdrohnen ausgesprochen hatte. Nun hieß es aus SPD-Kreisen, dass der Drohneneinsatz im Berg-Karabach-Konflikt eine neue Lage geschaffen habe. Die Türkei hatte als Schutzmacht Aserbaidschans nicht nur Militärberater, Söldnertruppen und konventionelle Technik zur Verfügung gestellt, sondern auch Kampfdrohnen gegen die armenischen Truppen erfolgreich zum Einsatz gebracht. Angesichts des Vorbehalts der SPD-Bundestagsfraktion legte deren verteidigungspolitischer Sprecher, Fritz Felgentreu, sein Amt nieder. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, plädierte für ein Rüstungskontrollabkommen, um die Verbreitung bewaffneter Drohnen zu begrenzen. Nach der Bundestagswahl wird das Thema mit Sicherheit wieder auf die Tagesordnung gesetzt und es ist absehbar, dass eine von wahlpolitischen Zwängen befreite Regierungskoalition dem Drängen der Militärs nachgeben wird.
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