Die Karten werden neu gemischt...
Die Karten werden neu gemischt...
Die Welt steht unmittelbar vor einem Epochenbruch. Bislang kaum hinterfragte marktwirtschaftliche Glaubenssätze stehen zur Disposition. Denn auch in einem globalisierten Wirtschaftssystem erweist sich, dass Ressourcen und Märkte endlich sind und dass quantitatives ökonomisches Wachstum nur noch eingeschränkt Motor zivilisatorischen Fortschritts sein kann. Die Erkenntnis, dass die Aufrechterhaltung der derzeitigen Wirtschaftsordnung und der aus ihr resultierenden globalen Machtverhältnisse eine Modifikation des bislang von den USA praktizierten Politikansatzes erfordert, ist der in den Vereinigten Staaten herrschenden Elite schon vor einigen Jahren bewusst geworden.
Neue Wirtschafts- und Machtzentren bilden sich heraus und die zu beobachtenden Trends weisen in Richtung einer zunehmend multilateral strukturierten Welt mit einzelnen Akteuren, die hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft und militärischen Macht den USA ebenbürtig oder überlegen sein werden. Die Welt sortiert sich neu. Vor allem China ist im Begriff, zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt aufzusteigen. Das Land befindet sich mit den Vereinigten Staaten in einer von letzteren kaum aufzulösenden ökonomischen Symbiose und baut seine Einflussmöglichkeiten (unter anderen mit dem Konzept der Neuen Seidenstraße) in Asien und Europa, aber auch in Afrika und Lateinamerika zielstrebig aus. Infrastrukturprojekte, Kapitalexport in großem Stil, technologische Innovationen und eine quantitativ und qualitativ wachsende Militärmacht sichern der neuen Großmacht den Zugriff auf global immer knapper werdende Ressourcen, die so dem Westen entzogen werden.
Und das politisch konsolidierte Russland schickt sich an, die Vereinigten Staaten militärtechnologisch hinter sich zu lassen. Russlands gewaltige Ressourcen werden zunehmend für die Modernisierung der eigenen Wirtschaft genutzt und sind zudem ein wesentliches ökonomisches Bindeglied für die immer enger werdende Kooperation mit China. Beide Staaten verbinden zudem teilweise ähnliche außenpolitische Interessen und die Entschlossenheit, sich gegen die globale Hegemonie der USA und des Westens zur Wehr zu setzen. Ergebnis dieser partiellen Interessenübereinstimmung ist eine wirtschafts- und militärpolitische Allianz, die amerikanische Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten zunehmend begrenzt.
Strategisches Ziel der Vereinigten Staaten ist unter diesen Umständen die Anpassung der politischen Agenda und der zu ihrer Umsetzung geeigneten Methoden. Es geht um die Sicherung ökonomischer und vor allem finanzpolitischer Dominanz, um die Wiedergewinnung technologischer Innovationskraft und die Verstetigung der Fähigkeiten zu einer globalen militärischen Machtprojektion. Die Staaten des von den USA geführten westlichen politischen Blocks stecken wie die Führungsmacht in einer tiefen strukturellen und kulturellen Krise. Angesichts einer sich immer schneller verändernden Welt und der damit verbundenen Machtverschiebungen geraten alte westliche Selbstgewissheiten einer zivilisatorischen Überlegenheit ins Wanken. Die Antwort der Vereinigten Staaten auf diese Herausforderung ist die ideologisch auf dem Dogma der „unverzichtbaren Nation“ gründende Vorstellung, dass die USA um jeden Preis die sukzessive Erosion ihrer globalen Machtpositionen und Handlungsoptionen aufhalten müssen. Dieser strategische Ansatz, der schon unter den Präsidenten Bush jr., Obama und Trump Grundlage amerikanischer Politik war, wird nun, unter dem Interimspräsidenten Biden, mit wachsendem Furor verfolgt, allerdings zumindest gegenüber den westlichen Alliierten weniger aggressiv als unter Trump kommuniziert. „America first“ bleibt Dreh- und Angelpunkt amerikanischer Politik. Und gerade weil in der jüngeren Vergangenheit die Handlungsmöglichkeiten des Westens in fast allen machtrelevanten Politikfeldern geschrumpft sind, soll nun unter Aufbietung aller verbliebenen Ressourcen der globale Macht-Status Quo zumindest erhalten werden. Das ist der Grund für die Versuche der Biden-Administration, die traditionellen Verbündeten unter amerikanischer Führung zu disziplinieren und das ist die politische Klammer, die den von den USA dominierten wirtschaftlichen und militärischen Block zusammenhält. Wechselseitige Abhängigkeiten und die Befürchtung, global in die Defensive zu geraten, fördern vor allem in Westeuropa die Bereitschaft der Machteliten, auf souveräne Außenpolitik zu verzichten und sich den USA unterzuordnen. Der von Washington dekretierte Schulterschluss gegen Russland und China ist so trotz aller noch vorhandenen Partikularinteressen im derzeitigen Politikverständnis westeuropäischer Politiker die einzige noch verbliebene Option zur Sicherung angemaßter Privilegien in einer im Umbruch befindlichen Welt. Solange die damit verbundenen Risiken kalkulierbar zu sein scheinen, schließt das neben Maßnahmen der aggressiven politischen Einflussnahme in anderen Staaten sowie wirtschafts- und finanzpolitischen Attacken auch militärische Operationen ein. Unterhalb der Schwelle einer im Krieg drohenden Selbstauslöschung sind westliche Politiker und Strategen bereit, jede sich bietende militärische Operation vorzubereiten und zu realisieren, die im Rahmen des politisch vorgegebenen Zielkorridors Erfolg verspricht.
Krieg oder Frieden
Die Menschheit steht aktuell vor geopolitischen Herausforderungen und damit an einem Scheideweg. Sie muss sich entscheiden, ob diese Herausforderungen mit friedlichen oder militärischen Mitteln zu meistern sind.
Die Fokussierung auf einzelne politische Ereignisse und militärische Maßnahmen verstellt mitunter den Blick auf das zugrunde liegende strategische Muster. So ist es auch aktuell. Die Zerschlagung Libyens, die Befeuerung des Krieges in Syrien, Militäroperationen des Westens in Nordafrika, die Sanktionen gegen den Iran, die westliche Unterstützung für Oppositionsgruppen in China, Russland und Belarus, wachsende US-Marine-Präsenz vor Chinas Küsten, die Verstärkung der US-Truppen in Europa, die Militarisierung der Europäischen Union, die exzessiv verstärkte Manövertätigkeit der NATO und die gezielte Eskalation des Konfliktes in der Ostukraine sind Elemente einer globalen US-Politik zur Zurückgewinnung strategischer Initiative. Jeder von den US-Diensten angeheizte Konflikt, jede Farbrevolution, jedes Sanktionsregime, jedes militärpolitische Abkommen mit anderen Staaten ordnet sich in diesen Rahmen ein.
Mit der Anzahl der Konfliktherde und der Gewaltintensität wächst tendenziell die Gefahr, dass aus einzelnen peripheren Scharmützeln, durch einen tragischen Zufall oder mit Kalkül, ein Dritter Weltkrieg beginnt. Schon in der Vergangenheit agierten westliche Militärs und Politiker – überzeugt von der eigenen Omnipotenz – bei sich bietender Gelegenheit mit dem leichtfertigen und rücksichtslosen Einsatz militärischer Machtmittel, um ihnen genehme politische Effekte zu erzeugen. Ungeachtet der historischen Tatsache, dass damit in der Regel Staaten zerstört und ganze Weltregionen destabilisiert wurden – mithin die vor Kriegsbeginn postulierten politischen Ziele nicht erreicht wurden, hält sich in westlichen Denkfabriken und Politikerstäben hartnäckig die Überzeugung, dass der Krieg nach wie vor ein probates Mittel zur Erreichung politischer Ziele ist, sofern man nicht mit massiver Gegenwehr rechnen muss.
Diese hemdsärmelige Leichtfertigkeit westlicher Politiker und Strategen zeigt sich auch in der aktuellen Konfrontation mit Russland und China. US-Präsident Biden agiert mit seiner undiplomatischen und hilflosen Rhetorik als Sprachrohr jener Gruppierungen des US-Establishments, die jetzt den Zeitpunkt gekommen sehen, die Rivalen Russland und China notfalls auch militärisch zu stoppen. Denn es ist absehbar, dass ein solches Vorhaben bald nicht mehr umzusetzen sein wird. Das definierte Zeitfenster für eine militärische Neutralisierung Russlands und Chinas durch die USA und den Westen schließt sich gerade. Die damit verbundene Endzeitstimmung und Nervosität amerikanischer Entscheidungsträger ist die derzeit größte Gefahr für die Welt. Präsident Biden mag versuchen, sich als entschlossener Führer zu präsentieren, doch er ist lediglich der Verkäufer einer Politik, die andere konzipiert haben und die andere vollstrecken wollen. Biden und die ihn tragende US-Machtelite wollen das Rad der Zeit anhalten. Sie verstehen nicht, dass die Vorstellung, man könne mit der Mentalität eines Pokerspielers Weltpolitik betreiben, riskant ist und in eine geostrategische Sackgasse führen wird. Sagen wir es ganz offen: Biden bedeutet Krieg. Wer sich von Gier und Affekten treiben lässt, wer den Gegner systematisch unterschätzt, um sein Ego zu streicheln, wird letztlich scheitern. Russen und Chinesen hingegen spielen – um im Bilde zu bleiben – Schach. Im Schach gelten Regeln. Hier werden Züge im Voraus kalkuliert – ein Verfahren, das sich bislang für Russland und China als recht erfolgreich erwiesen hat.
Die im Schatten der Corona-Berichterstattung im Westen geschaffenen administrativen, juristischen und militärischen Fakten deuten unmissverständlich darauf hin, dass in den USA und in Westeuropa offenbar die Stunde derjenigen geschlagen hat, die im geopolitischen Spiel bedenkenlos ins Risiko gehen wollen und sich für den militärischen Weg entschieden haben.
von Redaktion (Kommentare: 0)
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